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Staatliche Kunsthalle Baden-Baden


Lichtentaler Allee 8a
76530 Baden-Baden
Tel.: 07221 300 763
Homepage

Öffnungszeiten:

Di-So 11.00-18.00 Uhr
Do 11.00-19.00 Uhr

Chto Delat? in Baden-Baden

29.10.2011 - 12.02.2012
Wer russisch spricht und sich mit russischer Geschichte auskennt, wundert sich wohl, warum eine Ausstellung in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden mit dem Lenin-Zitat "Chto Delat?" überschrieben ist. Die Frage, die übersetzt "Was tun?" bedeutet und ursprünglich von dem russischen Autor Tschernyschewski stammt, ist der Name eines 2003 in St. Petersburg gegründeten Kollektivs aus Künstlern, Kritikern, Philosophen und Schriftstellern. Sie nehmen weltweit an Ausstellungen und Kongressen teil, oder veranstalten 48-Stunden-Seminare, bei denen die Teilnehmer zusammen essen, schlafen und diskutieren. Der Name ist nicht zufällig gewählt, sondern Programm. Im Zentrum der Aktivitäten des Kollektivs steht der Versuch, das politische Klima in Russland in den letzten zwanzig Jahren kritisch zu hinterfragen. Die Sehnsucht nach einer Auseinandersetzung mit den ursprünglichen Wert-vorstellungen des Kommunismus im Kontext des frühen 21. Jahrhunderts ist dabei unverkennbar. Für die Ausstellung in Baden-Baden haben "Chto Delat?" vier Singspiele, die aufwendig mit Sängern, Schauspielern und Musikern produziert wurden, in eine speziell entwickelte Ausstellungsarchitektur integriert. Dort werden sie zusammen mit Wandgemälden zur Perestroika, politischen Fahnen und Installationen über die russische Seele gezeigt. Seit ihrer Gründung ist es der Gruppe gelungen, eine ganz eigene ästhetische Sprache zu entwickeln, in der sich klassische Elemente politischer Propaganda ebenso widerspiegeln wie Bertolt Brechts Lehrstücke aus den 1920er Jahren. Zur Eröffnung der Ausstellung wird ein fünftes Singspiel der Gruppe als Konzert in Baden-Baden uraufgeführt. "Das Lehrstück vom Un-Einverständnis", zugleich Titel der ganzen Ausstellung, folgt einem ähnlichen Prinzip wie die früheren Singspiele, in denen die gemeinsame Stimme eines Chors mehreren Einzelfiguren gegenübergestellt ist. Meist sind diese so überzeichnet, dass sie wie Karikaturen wahrgenommen werden - Schmunzeln macht sich breit unter den Zuschauern. Gerade in Baden-Baden, wo die Beziehungen zu Russland historisch und gegenwärtig stark ausgeprägt sind, scheint eine Ausstellung, welche die komplexen politischen und sozialen Verhältnisse des heutigen Russlands mit einfachen Mitteln vielschichtig reflektiert, viel versprechend. Mit der Ausstellung Chto Delat? knüpft die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden an die Fragestellung der Auftaktausstellung "GESCHMACK - der gute der schlechte und der wirklich teure" an. Chto Delat? gibt eine mögliche Antwort auf die Frage nach der gesellschaftlichen Relevanz zeitgenössischer Kunst und damit nach der Programmatik einer öffentlichen Institution jenseits von Geschmack. Weitere Antworten und Perspektiven werden in den kommenden Ausstellungen folgen.

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