Domäne Dahlem, Foto: K. Wendlandt
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Domäne Dahlem

Foto: Domäne Dahlem
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Domäne Dahlem, Foto: K. Wendlandt
Domäne Dahlem, Foto: K. Wendlandt

Königin-Luise-Str. 49
14195 Berlin
Tel.: 030 666 30 00
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Öffnungszeiten:

Mi-Mo 10.00-18.00 Uhr

Kanonen statt Butter. Ernährung und Propaganda im Dritten Reich

01.07.2009 - 03.01.2010
Die aktuelle Ausstellung der Stiftung Domäne Dahlem – Landgut und Museum wurde vom Kie-ler Stadt- und Schifffahrtsmuseum erarbeitet und bietet einen neuen, alltagsgeschichtlichen und dadurch unmittelbaren Zugang zur Geschichte des Nationalsozialismus. Es gehörte zu den strategischen Zielen des NS-Regimes, Deutschland von Lebensmittelimporten unabhängig zu machen. Zugleich musste die Versorgung der Bevölkerung gewährleistet bleiben. Mit immen-sem Propagandaaufwand wurde dazu der Lebensmittelverbrauch kontrolliert, dirigiert und vor allem reduziert – und zwar schon seit 1934, also letztendlich als kriegsvorbereitende Maß-nahme. So wurde der heutzutage in vielen Landstrichen als traditionell geltende Eintopf im Rahmen einer von Hitler und Goebbels getragenen Kampagne für die sogenannten „Eintopfsonntage“ damals regelrecht erfunden, die derzeit trendigen Wildgemüse, -kräuter und -früchte wurden aus Autarkie-Bestrebungen ebenso intensiv beworben wie die Kartoffeln „aus deutschen Lan-den“. Um die „Volksgemeinschaft“ auf den Verzehr von Vollkornbrot einzuschwören, wurde sogar extra ein „Reichsvollkornbrotausschuß“ eingerichtet. Und der heute weit verbreitet als gesundes Lebensmittel bekannte und verfügbare Seefisch gelangte auch erst in jener Zeit über die Speisezettel der Küstenbewohner hinaus und wurde ‚landläufig‘: Um den (See-) Fisch als al-ternative Eiweißquelle zu erschließen und damit die Abhängigkeit von Fleisch- bzw. Futtermit-telimporten aus dem Ausland zu minimieren, wurde die ursprünglich für die Militärversorgung entwickelte Tiefkühl-Technologie auf die privaten Haushalte ausgeweitet und erstmals die (Tief-) Kühlkette von der (Tief-) See bis zum Verbrauch geschlossen. Im Ergebnis war die Ernährung im Dritten Reich in den Kriegsjahren zwar weder üppig noch abwechslungsreich, doch herrschte kein essentieller Hunger, wie er in den Jahren des Ersten Weltkriegs weit verbreitet gewesen war. Dazu hatte der Propaganda-Apparat der NS-Ernährungsideologie eine Fülle von „Werbe“-/ Indoktrinations-Produkten hervorgebracht, die auf unterschiedlichste Weise zum sparsamen Umgang mit Lebensmitteln aufriefen: Plakate wie die „10 Gebote – Kampf dem Verderb“ ebenso wie die regelrechte Flut von Sparrezeptbü-chern, die alle gemeinsam letztendlich den Kochlöffel als „Die Waffe der Hausfrau“ ausriefen, um nur einige Beispiele zu nennen. Die zahlreichen Facetten des Ausstellungs-Themas spiegeln sich zugleich in der Vielfalt der Ex-ponate wider: Plakate und historische Fotos, zeitgenössische Publikationen, Werbebroschüren, Akten und Unterrichtsmaterialien, Kochbücher und sonstige Anleitungen für Hausfrauen, er-gänzt durch Haushaltsgeräte und Geschirr. Eigene Berühmtheit hat die sogenannte „Kochkis-te“ erlangt, mit deren Hilfe besonders energiesparendes „Kochen“ möglich war. Die Alltagswelt der Bevölkerung wird außerdem durch eine Kücheninszenierung der 1930er Jahre anschaulich dokumentiert. Besonders erlebbar wird das „Grundrauschen“ des damaligen Propaganda-Apparates durch die Fülle an spannenden Film- und Ton-Dokumenten, so bespielweise ein Ge-spräch über die Einführung von Lebensmittelkarten mit Reichsminister Darré (der, eine kleine Ironie der Geschichte, damals in nächster Nachbarschaft des heutigen Ausstellungsortes lebte), eine Original-Hörspielszene von Karl Valentin mit dem Titel „Die jetzige Lage“ sowie eine Rund-funkansprache zur Ernährungslage des deutschen Volkes. Eine Attraktion ist sicher auch der Filmzusammenschnitt von Kino-Werbefilmen zur NS-Ernährungsideologie mit bisher weitest-gehend unbekanntem Material aus dem einzigartigen Fundus des Filmsammlers Heinz Busch-ko. Leihgaben kamen neben den Exponaten des Stadt- und Schifffahrtsmuseums Kiel und der Stif-tung Domäne Dahlem – Landgut und Museum unter anderem vom Deutschen Histori-schen Museum Berlin, vom Museum der Brotkultur Ulm, der Stiftung Stadtmusem Ber-lin sowie dem Deutschen Rundfunkarchiv.

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