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Schloss Belvedere - Unteres Belvedere, Orangerie


Rennweg 6
1030 Wien
Tel.: 01 795 57 134
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Öffnungszeiten:

tgl. 10.00-18.00 uhr
Mi 10.00-21.00 Uhr

Aktuell restauriert: Das Fastentuch-Fragment des Thomas von Villach

06.03.2015 - 25.05.2015

Eine kostbare Textilie aus Privatbesitz bereichert seit 2009 die Mittelaltersammlung des Belvedere. Die sehr qualitätsvolle und bislang unbekannte Tüchleinmalerei auf Leinwand lässt sich eindeutig einem spätgotischen Fastentuch zuordnen. Unter dem Titel AKTUELL RESTAURIERT. Das Fastentuch-Fragment des Thomas von Villach ist das neu entdeckte Werk vom 6. März bis zum 25. Mai 2015 im Schaudepot des Schatzhauses Mittelalter im Prunkstall des Unteren Belvedere für Besucher zugänglich. Dargestellt sind Szenen aus dem Alten Testament: die Mannalese, das Quellwunder Mose, die Eherne Schlange, der Tanz um das Goldene Kalb, die Gesetzesübergabe an Moses sowie die Bestrafung der Israeliten durch Moses. Der Gebrauch von Fastentüchern ist seit über tausend Jahren dokumentiert. Sie verhüllten während der vierzigtägigen Fastenzeit vor Ostern vielerorts Chorräume, Altäre, Kreuze oder auch Kultbilder. Bemalte Exemplare sind allerdings erst ab dem frühen 15. Jahrhundert in Mitteleuropa und hier vor allem im Alpenraum erhalten. Das um 1470/80 datierbare Fragment reiht sich in diese Tradition ein.
Die sensationelle Entdeckung gelang im Jahre 2008 im Zuge der Auflösung der Kunstsammlung im Freyschlössl auf dem Mönchsberg in Salzburg. Der Kaufmann, Amateurfotograf und Sammler Carl von Frey (1826–1896) hatte sein Sommerdomizil im neugotisch-historistischen Stil mit mittelalterlichen Kunstwerken und Möbeln eingerichtet. Da die Frey-Sammlung in der Österreichischen Kunsttopographie von 1919 nur unvollständig verzeichnet ist, wurde das Fastentuch-Fragment erst so spät gefunden. Es muss von einem bilderreichen Fastentuch stammen, das wahrscheinlich die Heilsgeschichte von der Schöpfung bis zum Weltgericht schilderte. Solche Bilderzyklen mit einer vergleichbaren Folge von Moses-Szenen überliefern die wenigen komplett erhaltenen gotischen Fastentücher in Gurk, Zittau in Sachsen, St. Lambrecht in der Steiermark und Haimburg in Kärnten. Das älteste und größte ist das Gurker Fastentuch von 1458, das 99 Bildfelder auf einer Gesamtfläche von ca. 890 x 890 cm umfasst. Noch heute ist die eindrucksvolle Wirkung des riesigen Tuches im Gurker Dom als „Sichtschranke“ gegen den Hochaltar von Aschermittwoch bis Karfreitag zu erleben. Möglicherweise handelt es sich bei dem Fragment der Sammlung Frey um den Rest eines ähnlich dimensionierten Fastentuches aus einer großen Kärntner Kirche – wo es einst hing, ist leider nicht mehr feststellbar.
Das sehr schadhafte und verblasste Tuch war zum Zeitpunkt des Ankaufs von Sporen des Hausschwamms verseucht, sodass sofort gehandelt werden musste: Die Abegg-Stiftung in Riggisberg bei Bern, eine weltweit führende Institution für historische Textilien, übernahm das akut gefährdete Objekt zur Untersuchung und Restaurierung. Das glücklicherweise vor dem Verfall gerettete Werk wird passend zur Fastenzeit in der Ausstellungsreihe Aktuell restauriert der Mittelaltersammlung präsentiert. Dazu erscheint eine wissenschaftliche Begleitpublikation in Kooperation mit der Abegg-Stiftung, der wir herzlich für die Unterstützung und das große Engagement der am Projekt beteiligten Restauratorinnen danken.

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