Foto: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden e.V.
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Nassauischer Kunstverein Wiesbaden e.V.

Foto: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden, Eliza Douglas: My Gleaming Soul 2017, Christian Lauer
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Foto: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden e.V.
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65187 Wiesbaden
Tel.: 0611 30 11 36
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Di 14.00-20.00 Uhr
Mi-Fr 14.00-18.00 Uhr
Sa-So 11.00-18.00 Uhr

Mario Pfeifer: Einzelausstellung

06.11.2011 - 04.12.2011
Der Nassauische Kunstverein Wiesbaden (NKV) präsentiert die erste institutionelle "Einzelausstellung" von Mario Pfeifer (*1981, Dresden). Film- und Videoinstallationen aus den Jahren 2008 bis 2010 geben einen konzentrierten Überblick zu seiner künstlerischen Entwicklung seit seinem Abschluss an der Städelschule Frankfurt am Main 2008. Ein Kontinuum sind deutliche formale und inhaltliche Referenzen zu anderen Künstlern und Werken, zumeist aus den 1960er und 70er Jahren, sowie das Ausloten einer durchkomponierten formalen Ästhetik, die Pfeifer auf die Ausstellungsarchitektur ausweitet. Seinem jüngsten und bisher umfangreichsten Werk, A FORMAL FILM IN NINE EPISODES, PROLOGUE & EPILOGUE (2010), werden im NKV drei zuvor produzierte Film- und Videoinstallationen gegenübergestellt. Drei fotografische Arbeiten, die zu jeweils einer der Installationen Bezug nehmen, reflektieren Recherchestrategien und Produktionsbedingungen. Pfeifers früheste Arbeit YET UNTITLED [‛PIECES OF NATUREÂ’] (2008), mit der er sein Studium abschloss, kann sowohl als Performance, als auch Filmproduktion interpretiert werden und folgt Schauspielern bei einem vermeintlichen Casting. Auch die Crew und der Regisseur agieren vor der Kamera und am Ende spiegelt sich sprichwörtlich Jeff Walls "Picture for Women" wider, eine filmische Inszenierung der inszenierten Fotografie. In RECONSIDERING "THE NEW INDUSTRIAL PARKS NEAR IRVINE, CALIFORNIA BY LEWIS BALTZ, 1974" (2009), einer zweiteiligen s/w 16mm-Projektion, greift Pfeifer eine Industriearchitektur auf, die Baltz in seinem gleichnamigen Künstlerbuch porträtierte. Die eine Projektion führt den Betrachter mittels einer 11-minütigen ungeschnittenen Kamerafahrt durch das Interieur einer Metallwerkstatt. Ein Interview mit dem ehemaligen Pächter erläutert den industriegeschichtlichen Kontext. Die zweite Projektion zeigt parallel dazu ein Durchblättern von BaltzÂ’ Bildband von hinten nach vorne, wobei jede aufgeschlagene Buchseite zu einer Montage mit der fortlaufenden Kamerafahrt verschmilzt. Erst am Ende, als die Kamerafahrt vor dem Gebäude stoppt, lässt Pfeifer die Montage pointiert auseinanderfallen zu zwei unvereinbaren Einzelbildern und darüber hinaus zum Kommentar auf die Wechselbeziehung zwischen Film und Fotografie. Um eine Eroberung des Raums geht es im Film UNTITLED [‛TWO GUYSÂ’] (2009). Mario Pfeifer folgt zwei jungen Männern mit der Kamera durch Berlin-Kreuzberg und wird zum filmischen Beobachter ihrer Körpersprache und Mimik, die schließlich im ästhetisch rhythmischen Krumping kulminiert und den Raum zu sprengen scheint. Krumping, eine Form des Street Dance, wurde zunächst unter amerikanischen Jugendlichen auf der Straße entwickelte und bot die Möglichkeit, Aggressionen abzubauen und dem Gangleben zu entkommen. In seinem Film kommt Pfeifer den Jugendlichen nicht nur einmal bedenklich nah und durchbricht somit einen körperlichen Schutzraum, ein Aspekt, der sich am Ende des Films wendet. Als dreiteilige Projektion entfaltet schließlich A FORMAL FILM IN NINE EPISODES, PROLOGUE & EPILOGUE (2010) auf der zweiten Etage der Ausstellung seine eindringliche Bilderkraft. Strukturiert über neun Episoden werden Landschaft, Architektur, Innenräume und Menschen in Mumbai und Umgebung porträtiert, wobei jeder Ort eine geheimnisvolle Schönheit ausstrahlt. Mehr und mehr wird schließlich die dokumentarische Perspektive zugunsten der Narration verlassen, indem Mario Pfeifer sich auf zwei Protagonisten fokussiert und deren Geschichte nachzeichnet. Über die ästhetische Kraft hinaus lotet der Film auf kritische Weise die Entwicklung der Stadt und ihre kulturellen Phänomene aus. Wie auch schon Louis Malle mit seinem Meisterwerk L'INDE FANTÔME von 1969, der als Referenzfilm parallel gezeigt wird, verharrt auch Pfeifer auf der Position des Außenstehenden, der auf eine fremde Kultur blickt, sich ihrer Faszination jedoch nicht entziehen kann. Mit dem formalen Titel "Einzelausstellung" bezieht sich Mario Pfeifer auf das tatsächlich Sichtbare im Ausstellungsraum und hinterfragt gleichzeitig die Existenz des Singulären, das Subjekt im Diskurs. Mario Pfeifer lebt und arbeitet in Berlin. Er wird vertreten durch die Galerie KOW Berlin.

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