Foto: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden e.V.
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Nassauischer Kunstverein Wiesbaden e.V.

Foto: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden, Eliza Douglas: My Gleaming Soul 2017, Christian Lauer
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Foto: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden e.V.
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Wilhelmstr. 15
65187 Wiesbaden
Tel.: 0611 30 11 36
Homepage

Öffnungszeiten:

Di 14.00-20.00 Uhr
Mi-Fr 14.00-18.00 Uhr
Sa-So 11.00-18.00 Uhr

Keeping up Appearances

18.03.2012 - 06.05.2012
Unter dem Titel „Keeping up Appearances“ zeigt der Nassauische Kunstverein Wiesbaden eine Gruppenausstellung mit internationalen künstlerischen Positionen, die in den unterschiedlichsten Medien an die malerische Tradition des Trompe-l’oeil anknüpfen.
Der schöne Schein, die perfekte Oberfläche und die Täuschung des Betrachters sind seit jeher ein wichtiges Thema in der bildenden Kunst. Die Gruppenausstellung präsentiert nicht nur Ansätze, die sich formal in die Geschichte der Illusion einreihen, sondern ebenso Positionen, die den Schein als akzeptierte soziale Norm reflektieren.
In der Videoarbeit THE VILLAGES stellen die Künstler Erik Blinderman & Lisa Rave zwei Orte gegenüber, deren Architektur sich konsequent an der europäischen Bauweise des 19. Jahrhunderts orientiert und die zeitgenössische lokale Ästhetik ignoriert. Die grün leuchtenden Kronleuchter von Ken & Julia Yonetani offenbaren ihr Geheimnis erst durch ihren Titel: CRYSTAL PALACE: THE GREAT EXHIBITION OF THE WORKS OF INDUSTRY OF ALL NUCLEAR NATIONS. Sie sind aus Uranglas gefertigt und verweisen auf die Illusion einer sicheren Nutzung der Atomkraft, die mit der Katastrophe von Fukushima endgültig zerbrochen ist. Während die Kronleuchter der Yonetanis auf den ersten Blick Begehren wecken, ruft Matt Goldens JOHNNY DEPP zunächst Enttäuschung hervor. Mit bloßem Auge ist kaum zu erkennen, dass die banale MDF-Platte im Ausstellungsraum vom Künstler pulverisiert wurde und jeder Atemhauch sie zerstören könnte. Auch Robert Voit ironisiert mit seiner Serie NEW TREES die Prinzipien der Konzeptkunst. In Anlehnungan den Formalismus der Becher-Schule zeigt sie Pflanzenattrappen, die dazu dienen Mobilfunkmasten zu verbergen. Der Titel von Adrian Pacis Video BRITMA heißt übersetzt „Schrei“. Das Filmbild zweier Kinder nimmt durch extreme Zeitlupe malerischen Charakter an. Nicht nur der Titel, sondern auch das tatsächlich Sichtbare lassen an Munchs berühmtes Gemälde denken. Ebenfalls auf einem Gemälde beruht Lech Majewskis BRUEGHEL SUITE. Sein Film erweckt die Protagonisten der „Kreuztragung Christi“ von Pieter Bruegel dem Älteren aus dem Jahre 1564 zum Leben. Einen Gegensatz zur perfekten Oberfläche des Films bilden die Objekte von Jeremy Hutchison. Der Künstler beauftragt Firmen mit der Herstellung alltäglicher Objekte, deren Funktion beeinträchtigt ist: Ein Kamm ohne Zinken, eine Sonnenbrille, die nicht auf der Nase bleibt – das Unperfekte, Dysfunktionale, welches in der Welt der Produktion und ständigen (Re)produktion keinen Platz hat, wird von ihm zum Kunstwerk erhoben. Das einzige Unikat unter zigtausenden von Kopien aus Glas ist der echte Diamant in Wilfriedo Prietos Installation ONE, die die gesellschaftliche Konstruktion von Werten infrage stellt. Auch Katrin Wegemanns STEIN.ZEIT.FORMEN sehen zwar aus, wie Kristalle, bestehen jedoch in Wirklichkeit aus Zucker. Die vermeintlichen Steine verändern stetig ihre Form – scheinbar Beständiges löst sich auf. Einen analytischen Blick auf die Frage nach
Originalität und Plagiat verhandelt Oliver Laric in seiner Videoarbeit VERSIONS. Er knüpft damit an die Debatte an, inwiefern Bilder weitertradiert werden und in neuen Formen abermals Verwendung finden. Die stetige Kopie und Weiterentwicklung bestehender Bilder ist Kennzeichen der künstlerischen Praxis von Susa Templin. Für ihre Installation TOTALE WOHNUNG klappt sie die zweidimensionale Fotografie eines realen Raums wieder zu einer dreidimensionalen Skulptur auf. Eng am klassischen Trompe-l’oeil orientieren sich dagegen die Fotografien von I. Helen Jilavu. Vor einem tiefschwarzen Hintergrund inszeniert sie geheimnisvolle Blumenstillleben in leuchtenden Farben. Jenny Michels PARADIESKARTEN thematisieren die Vorstellung eines Paradieses als menschliches Konstrukt, das einen notwendigen Gegenpol zur Alltagswelt bildet, und dennoch unerreichbar bleibt.
„Dubito, ergo cogito, ergo sum“ – „Ich zweifle, also denke ich, also bin ich“ – so wird René Descartes erster Grundsatz im einem Vorwort aus dem 18. Jahrhundert zusammen gefasst. Während des Ausstellungsrundgangs werden sich auch die Besucher im Spannungsfeld zwischen Original und Kopie, Versprechen und Enttäuschung, Illusion und Realität, Ironie und bitterem Ernst bewegen und sich zwischen ihrer Sinneswahrnehmung und dem Verstand entscheiden müssen.

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