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Mönchehaus Museum für moderne Kunst


Mönchestrasse 3
38640 Goslar
Tel.: 05321 295 70
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Öffnungszeiten:

Di-So 10.00-17.00 Uhr

Ernst Wilhelm Nay: Das Polyphone Bild

13.07.2013 - 29.09.2013

Ernst Wilhelm Nay, 1902 in Berlin geboren, 1968 in Köln gestorben, zählt zu den großen deutschen Koloristen des 20ten Jahrhunderts. Wurde seine Kunst von den Nationalsozialisten zuerst an den Pranger gestellt und später verboten – sein Gemälde „Liebespaar“ verhöhnte der „Völkische Beobachter“ 1933 als „Meisterwerk der Gemeinheit“ – so gehört Nay zu den Malern, die im Nachkriegsdeutschland mit ihrer Kunst ganz wesentlich die Moderne durchgesetzt haben. Die Anerkennung, die sein großartiges Werk ganz unzweifelhaft verdient, erfuhr der Maler nach dem Krieg durch eine dreimalige Einladung zur Kasseler documenta.
Sein Oeuvre umfasst etwa 1.300 Gemälde und 6.000 Arbeiten auf Papier. Dieses Jahr ist der erste Band seines Werkverzeichnisses publiziert worden. Die Veröffentlichung haben das Kunstmuseum Bonn, das Museum Liner Appenzell und das Mönchehaus Museum Goslar zum Anlass genommen, in enger Kooperation untereinander und zusammen mit der Ernst Wilhelm Nay Stiftung eine große Übersichtsausstellung der Arbeiten auf Papier des Künstlers einzurichten.
Die Zeichnungen, Aquarelle und Gouachen des Künstlers, die bisher weitaus weniger Aufmerksamkeit erfahren haben als die Gemälde Nays, erlauben es, wie unter einem Brennglas die sich in immer neuen Serien vollziehende Entwicklung des Malers von einer gegenständlich grundierten Kunst hin zu einer vom Gegenstand völlig losgelösten Abstraktion zu verfolgen. Selbst wenn manche Arbeit auf Papier Nay als Vorarbeit zu späteren Ölgemälden diente, so sind sie in der Regel doch ganz und gar eigenständige Schöpfungen, die als Werke aus eigenem Recht wahrgenommen werden wollen.
Die chronologisch gehängte Ausstellung nimmt den Betrachter mit auf eine faszinierende Reise, welche in 150 Bildern aus Stiftungs- wie aus Privatbesitz (u.a. des Kunstmuseums Bonn, des Leopold-Hoesch-Museums Düren, des Kunstmuseums Gelsenkirchen und der Sammlung Deutsche Bank) die mehrere Jahrzehnte umfassende Werkentwicklung des Künstlers nachzeichnet – von einem frühen Aquarell aus dem Jahre 1931 bis hin zu einer späten Gouache aus dem Jahre 1967. Zeigt das erste Bild, sparsam abstrahiert, ein mit geblähten Segeln über die Ostseewellen bei Warnemünde gleitendes Segelboot, so das letzte Werk eine gänzlich abstrakte Komposition, in der Farbe und Form sich wie die Noten einer musikalischen Partitur aufeinander beziehen.
Bei all diesen Arbeiten ist die Farbe das beherrschende Thema der Kunst von Ernst Wilhelm Nay. Bis auf wenige Ausnahmen, zu denen eine Reihe früher „Ostsee-Bilder“ zählen, in denen Nay mit Hilfe von Rohrfeder und schwarzer Tusche leichthändig die Arbeit von Fischern auf ihren Boote choreographiert. Aber schon in den „Lofoten-Bildern“ (1937-38) erstrahlt die Farbe in expressiver Intensität. Eindrucksvoll porträtiert Nay mit ihr die raue Landschaft Norwegens, in der er sich auf Einladung Edvard Munchs aufhielt. In den während der Kriegsjahre entstanden Werken gewinnt die Farbe weiter an Subtilität und Nuancen- reichtum. Deutlich sichtbar ist die Auseinandersetzung mit den Bildsprachen von Henri Matisse und Pablo Picasso. Vor allem in den zwischen 1945 und 1948 gemalten „Hekate- Bilder“ mit ihren mythologischen Motiven.
In den frühen fünfziger Jahren findet Nay dann über die „Fugalen Bilder“, in denen er die Fugentechnik Johann Sebastian Bachs auf seine Bildkompositionen überträgt, zu raffinierter Farbigkeit und einer rein abstrakten, ganz und gar originären Bildsprache. In ihr spielen Rhythmik und Dynamik, sich auflösende und verdichtende Formen eine wichtige Rolle. In den „Augen- und Scheibenbildern“ des Künstlers verdrängt das Runde das Eckige. Alles Geschehen bleibt auf der Fläche. Raum existiert nur als Farbraum, nicht als konstruierte Raumillusion. Die Zentralperspektive hat abgewirtschaftet. Damit reagiert Ernst Wilhelm Nays Malerei auf die Erkenntnisse der modernen Physik, welche die Unendlichkeit der Welt in mathematischen Formeln fasst und nicht mehr als religiöse Allmachtsmetapher versteht. Michael Stoeber

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