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Mittelrhein-Museum Koblenz


Zentralplatz 1
56068 Koblenz
Tel.: 0261 129 25 00
Homepage

Öffnungszeiten:

Di-So 10.00-18.00 Uhr

Menschen,Tiere,Emotionen

02.10.2010 - 13.03.2011
Nach dem antiken Mythos war das Bild vom Menschen der Ursprung der Kunst: Durch den Schattenriss des Profils eines Geliebten sollte dieser auch während seiner Abwesenheit stets präsent sein. So galt die Liebe als Antrieb aller Kunst und das Porträt als Anfang der Malerei. Das Porträt wurde zu einer hoch angesehenen Gattung - im Spannungsfeld zwischen illusionistischer Ähnlichkeit und repräsentativer Idealisierung. Seit dem Ende des Mittelalters kam es wieder zu großer Blüte: als Stifterbild, als Individualbildnis der Renaissance, in der Darstellung von Ehepaaren und Familien oder auf Gruppenbildnissen holländischer Eliten im Barock. Prägend waren repräsentative Bildnisse von Herrschern, Päpsten oder Adligen. Mit diesem Kanon am Ende des ancien régime setzt die Depot-Werkschau ein: Seit der Flucht des Kurfürsten und der Ankunft der Franzosen 1794 änderte sich auch der Kunstbetrieb: Tonangebend waren nicht mehr Hof, Adel und Kirche, sondern das aufstrebende Bürgertum. Die Hofmaler wurden arbeitslos oder dienten sich dem neuen Kunstbetrieb an. Bildnisse und Selbstbildnisse Koblenzer Maler belegen diesen Wandel, und auch der Napoleonkult brachte an Rhein und Mosel eigene Werke hervor. Zugleich orientierten sich bürgerliche Porträts noch lange an bewährten Posen der alten Repräsentationsbildnisse. Durch Handel zu Reichtum gelangt, posieren Bürger im Bewusstsein ihres gesellschaftlichen und politischen Einflusses - zuweilen vor der Kulisse der Stadt oder einer romantisch aufgefassten Landschaftskulisse. Zahlreiche Porträts sind als Pendants konzipiert, als Bildnisse von Eheleuten. Das Bild der Familie als Keimzelle der neuen Gesellschaft wird bestimmt vom Rollenverständnis von Mann und Frau, oft beschworen in sittsam-biedermeierlichen Interieurs. Ein glücklicher Sonderfall sind die Bildnisse der Vallendarer Fabrikantenfamilie d'Ester, die Malern der Region Unterkunft und Aufträge gab. So entstand ein eindrucksvolles Panorama bürgerlicher Kultur: Von Verflassens kleinformatigen Porträts aus der Zeit des Biedermeier bis hin zu Pechmanns Bildnissen der Gründerzeit. Die Zeit des Vormärz schärfte den Blick auf die "Kleinen Leute", changierend zwischen der Schilderung sozialer Wirklichkeit und romantisierender Idylle. Belege für einen durch Konventionen kaum eingeengten Blick auf die Realität finden sich gleichzeitig auch in Zeichnungen und Karikaturen. Nach der gescheiterten Revolution von 1848/49, spätestens seit dem Sieg über Frankreich 1871 trat der Gegensatz zwischen rheinischem Bürgertum und preußischer Herrschaft zurück, wozu in Koblenz sicher auch die - ebenfalls im Porträt vertretene - Königin Augusta beitrug. Für neue Bauten von Regierung, Justiz und Militär entstanden monumentale Porträts der Hohenzollern im Rückgriff auf Pathosformeln absolutistischer Herrscherbildnisse. Stolz brüsten sich Koblenzer Honoratioren in voller Uniform, mondän zeigen sich Damen der haute volée im Stil der Salonmalerei des Wilhelminismus. Neue künstlerische Strömungen wie Realismus, Impressionismus und Symbolismus - in Berlin und Paris heiß diskutiert - finden kaum Eingang in die Porträtmalerei an Rhein und Mosel. Wegweisend wurden hier nach 1900 Maler wie der am Karlsruher Realismus geschulte junge Hanns Sprung oder der in Koblenz als Kunsterzieher tätige William Straube, der mit seinen Bildnissen den Anschluss an den rheinischen Expressionismus fand. Dieser zaghaft spürbare künstlerische Aufbruch wurde 1914 jäh unterbrochen durch den Ersten Weltkrieg.

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