Gesellschaft für Aktuelle Kunst Bremen, Postkarte, Kette, Fernglas, Boot Courtesy; Nina Hoffmann; Foto: Tobias Hübel
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Gesellschaft für Aktuelle Kunst Bremen

GAK Gesellschaft für Aktuelle Kunst Bremen, Foto: Peter Podkowik
GAK Gesellschaft für Aktuelle Kunst Bremen, Foto: Peter Podkowik
Gesellschaft für Aktuelle Kunst Bremen, Postkarte, Kette, Fernglas, Boot Courtesy; Nina Hoffmann; Foto: Tobias Hübel
Gesellschaft für Aktuelle Kunst Bremen, Postkarte, Kette, Fernglas, Boot Courtesy; Nina Hoffmann; Foto: Tobias Hübel

Teerhof 21
28199 Bremen
Tel.: 0421 50 08 97
Homepage

Öffnungszeiten:

Di-So 11.00-18.00 Uhr
Do bis 20.00 Uhr

Christian Haake: White Elephant

21.05.2011 - 31.07.2011
Wie konstruieren wir Wirklichkeit? Welche Rolle spielen dabei die individuelle wie die kollektive Erinnerung? Lassen sich Erinnerung und Wirklichkeit in ein Bild übertragen? Das sind die zentralen Fragen, die Christian Haakes künstlerisches Werk antreiben. Christian Haake (*1969 in Bremerhaven) baut Erinnerung. Oder vielmehr baut er seine erinnerten, inneren Bilder in präzise durchgearbeiteten Objekten und Installationen auf eine Weise nach, dass seine Sehangebote an die kollektive Erinnerung der Betrachter/innen anknüpfen und so ein neues Bild unserer Wirklichkeit entwerfen. Dabei geht es ihm nicht darum, einen Deckungsabgleich zu erzeugen, sondern vielmehr um die Differenz, die als feiner Riss zwischen den Ebenen von Wirklichkeit, Wahrnehmung und erinnertem Bild verläuft. Es geht weniger um Bestätigung als vielmehr um subtile Destabilisierung mit immens poetischem Potential. Haake greift dabei auf Erinnerung als Wirklichkeit generierende Kraft zurück - mit der Idee, dass Erinnerung, so fehler- und lückenhaft sie sein mag, ein vielleicht "echteres" Bild von Wirklichkeit vermittelt, als es die Wirklichkeit selbst in der Lage ist. So fertigt er seine Arbeiten etwa ohne gedächtnisstützende Fotos oder maßgebende Vorzeichnungen mit dem Risiko und sogar dem Wunsch, dass sich minimale Verschiebungen auftun, die in ihrer Summe ein neues, aber stimmiges Bild ergeben. Christian Haakes gebaute Wirklichkeitsbilder fußen auf Erinnerung und suchen doch immer wieder die Distanz zur Realität, indem sie als maßstabsverschobene Modelle ganz offensichtlich nicht deren direktes Abbild sein wollen. Less Mess, die Nachbildung eines Messie-Wohnzimmers im Miniaturformat von 2007, ist beispielsweise bis ins Detail der Typografie der winzigen Zeitschriftenstapel und der Aufschrift auf den Milchtüten durchgearbeitet, bewahrt sich aber ihren Status als Skizze der Wirklichkeit, als Momentaufnahme und verlassene Kulisse, indem es sich auf einer Grundfläche von nur 64 x 125 cm ausbreitet. Now Show von 2009 bleibt dagegen minimal unter Lebensgröße. Doch gerade das Quentchen, das diese leere Kinoankündigungstafel von ihrer realen Vorlage trennt, löst eine Irritation aus und macht das Spiel zwischen Betrachter/in und Arbeit möglich, in dem die Tafel mit den Vorstellungsbildern von denen gefüllt wird, die vor ihr stehen. Mit Haakes Affinität zum Modell als Mittel zur Verdichtung ergibt sich eine formale Nähe etwa zu Künstlern wie Oliver Boberg oder Thomas Demand. Für seine Ausstellung White Elephant in der GAK Gesellschaft für Aktuelle Kunst wird Christian Haake das Modell eines verlassenen Ladeneingangs im Stil der 1960er Jahre in den stark gelängten Raum der Institution einpassen. Auf diese Weise wird der vorgefundene, architektonische Raum einbezogen und zur Kulisse umfunktioniert. Er wird zum Drehort für die potentiellen Handlungsabläufe, die innerhalb dem stillgelegten Laden möglich scheinen. Im Maßstab wird das Geschäft für die Besucher/innen durch die Eingangstür durchquerbar sein, jedoch etwas unter ihrer Lebenswirklichkeit liegen. Seine Bestandteile werden bis ins Detail ausformuliert, um Lebenswirklichkeit zu simulieren - Mauerwerk, Farbgebung, Türgriff, Sprünge im Glas, Staubflusen oder aus der Wand hängende Stromkabel kreieren ein Gesamtbild, das Realität verdichtet und Leere umkreist. Doch bleibt die Arbeit in ihrer Modellhaftigkeit Skizze, die, nach Michel de Certeau, die "Fremdheit des Alltäglichen" offenbart. Gleichzeitig aber steht sie für die romantische Sehnsucht, sich eben diese Fremdheit mit einem projizierten "Anderswo" vertraut machen zu können. Um das verlassene Ladengeschäft als Kernstück der Ausstellung gruppieren sich weitere Arbeiten, die in Film, Collage und Objekt ähnliche Themenbereiche umkreisen. Auch der Ausstellungstitel White Elephant knüpft hier inhaltlich an, beschreibt er doch einen wertvollen Besitz, den der Eigentümer nicht sinnvoll verwerten kann und dessen Unterhaltungskosten seinen eigentlichen Wert weit übersteigen. Bezugnehmend auf den weißen Elefanten, dessen Besitz in Südost-Asien zwar Sinnbild für Macht und Reichtum ist, aber durch die entstehenden hohen Kosten auch in die Armut führen kann, beschreibt der Begriff in unserem Kulturkreis die gescheiterten Investitionsprojekte gigantischer, heute leer stehender Einkaufspassagen, -malls und -landschaften nach amerikanischem Vorbild.

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