Deutsches Technikmuseum (Foto: KULTURpur)
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Deutsches Technikmuseum

SDTB, Foto: N. Michalke
SDTB, Foto: N. Michalke
Deutsches Technikmuseum (Foto: KULTURpur)
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Trebbiner Str. 9
10963 Berlin
Tel.: 030 90 25 40
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Öffnungszeiten:

Di-Fr 9.00-17.30 Uhr
Sa, So 10.00-18.00 Uhr

Der Flettner-Rotor – eine gescheiterte Innovation?

02.02.2010 - 01.08.2010
Als am 7. November 1924 in Kiel die BUCKAU als erstes Rotorschiff in See stach, erregte sie großes Aufsehen. Ein solches Schiff hatte die Welt noch nicht gesehen: Es hatte zwei riesige „Litfaßsäulen“ an Deck, die sich lautlos drehten. Der Erfinder dieses neuen brennstoffsparenden Hilfsantriebs war Anton Flettner (1885-1961), ausgebildeter Mathematiklehrer und technischer Autodidakt. Die zylinderförmigen Röhren wurden fortan nach ihm benannt. Blick in die Ausstellung, Foto: Kirchner, SDTB Der Flettner-Rotor leitet den Wind ähnlich einem Segel seitlich ab und nutzt die entstehenden Kräfte für den Vortrieb des Schiffes. Anders als beim Segelschiff lässt er sich jedoch von einer Person alleine bedienen. Trotz seiner erfolgreichen Erprobung auf einem weiteren Rotorschiff, der BARBARA, setzte sich der Rotor in der Praxis nicht durch. In Zeiten erhöhten Umweltbewusstseins und steigender Treibstoffkosten gewinnt die Idee Flettners vom rotierenden Segelersatz jedoch wieder an Aktualität. Die Ausstellung widmet sich anhand von Fotos, Dokumenten und eines zeitgenössischen Filmes der wechselhaften Geschichte beider Schiffe. Ein Funktionsmodell der BUCKAU im Maßstab 1:50 aus dem Jahr 2001 illustriert die Proportionen der Rotoren und bietet Gelegenheit, sich dem Thema aus dem Blickwinkel eines Modellbauers zu nähern. Das zweite Rotorschiff, die BARBARA, im Hamburger Hafen, ca. 1927; Foto: Archiv SDTB Von der Erfindung zur Realisierung Die Grundlage für den Flettner-Rotor wurde schon 1851 in Berlin gelegt: Der Physiker Heinrich Gustav Magnus (1802-1870) wies in Experimenten erstmals eine bis dahin unbekannte Kraft nach, die immer dann entsteht, wenn eine Luftströmung auf einen rotierenden Körper trifft, den so genannten Magnus-Effekt. Flettner entwickelte seine Rotor-Idee, nachdem er 1923 von den Forschungsergebnissen von Prof. Ludwig Prandtl (1875-1953), dem Leiter der Aerodynamischen Versuchsanstalt Göttingen, erfahren hatte. Die noch junge Wissenschaft der Aerodynamik lieferte Flettner die nötigen physikalischen Daten und stützte seine Argumentation hinsichtlich der Funktionsfähigkeit des Rotor-Antriebes. Dies überzeugte schließlich auch seine Geldgeber von der Germania-Werft in Kiel. 1924 wurde ein erstes Versuchsschiff, die BUCKAU, und zwei Jahre später ein weiteres, größeres Rotorschiff, die BARBARA, gebaut. Der Flettner-Rotor in der Krise Beide Rotorschiffe bewiesen, dass der Rotorantrieb zuverlässig funktionierte. So wurde die BARBARA zwischen 1926 und 1929 für reguläre Handelsfahrten ins Mittelmeer eingesetzt. Trotzdem folgten keine weiteren Aufträge für Rotorschiffe, auch nicht aus den USA, wohin Flettner die BUCKAU 1926 zu Werbezwecken fahren ließ. Brennstoff war damals so preiswert, dass sich für die Reeder der Flettner-Rotor in Hinsicht auf das Verhältnis zwischen eingesparten Mitteln und Investitionskosten nicht schnell genug rentierte. Der Versuch Flettners, die Sport- und Freizeitsegler für den Rotor zu begeistern, misslang ebenfalls. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise 1929 und des in Folge zurückgehenden Handels gab der Reeder die gecharterte BARBARA 1931 an ihren Eigner, die Reichsmarine, zurück, die das Schiff verkaufte. Der neue Besitzer nutzte es als reines Motorschiff, die drei Rotoren waren abgebaut. Die Geschichte der Rotorschiffe war somit vorerst beendet. Flettner selbst wandte sich anderen Dingen zu und konstruierte unter anderem Hubschrauber und eine Fahrzeugbelüftung, die bis heute gebaut wird. Versuchsboot UNIKAT (2006) mit Flettner-Rotor (Leihgabe Uni Flensburg), Foto: Kirchner, SDTB Renaissance des Flettner-Rotors im 21. Jahrhundert? Als 1973 der Ölpreis infolge der Ölkrise die Brennstoffkosten auch der Reeder in die Höhe trieb, suchte man nach treibstoffsparenden Techniken. In den 1980er Jahren kam man auf Flettners Idee zurück: Blohm&Voss plante den Einbau von Rotoren auf einem Tanker. Dieses Vorhaben wurde jedoch 1986, als der Ölpreis wieder sank, fallengelassen. Heute gewinnt das rotierende Segel wieder an Aktualität – einerseits besteht die Gefahr wieder steigender Ölpreise, andererseits werden regenerative Energien zunehmend genutzt. 2006 wurde ein Flettner-Katamaran an der Universität Flensburg gebaut, der in der Ausstellung zu sehen ist. Voraussichtlich noch im Laufe dieses Jahres wird das erste Rotor-Frachtschiff nach der BARBARA, das E-SHIP 1, in Ostfriesland fertig gestellt sein und seine Fahrt aufnehmen. Dieses Schiff könnte ein neues Kapitel in der Geschichte der Schifffahrt aufschlagen...

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