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Jörg Herold

Jörg Herold - "Das Kaukasische Eine Nachlese zu Empfindungen des Herrn Blumenbach"

20.01.2007 - 14.04.2007
Seit Jahrzehnten begeistern sich Forscher aus aller Welt an Funden in den staubigen Weiten und felsigen Tiefen Kaukasiens. In Georgien, unweit der Mündung des Flusses Pinesauri in den Maschawera-Fluss, liegt das berühmte Dorf Patara Dmanisi. In seiner Nähe, auf einem kleinen Plateau, fanden Paläontologen Tausende Tierfossilien aus einer Epoche vor 2,5 – 1,4 Millionen Jahren. Im Jahr 2001 dann die Sensation, der Fund eines 1,8 Millionen Jahre alten Frühmenschen, der älteste Homo außerhalb des afrikanischen Kontinents. Doch das Relikt unseres Ahnen hatte einen extrem kleinen Schädel und Kiefernknochen. Sein Gehirn war nur halb so groß, wie das des modernen Menschen. „Denke man sich einen Körper hinzu“, kolportierte einer der Ausgräber, „war dieser klein, von schmächtiger Figur, hatte eine kurze Nase und mächtig große Zähne“. Trotz der Verunstaltungen entwickelte sich die Spezies prächtig, das kleine Hirn reichte für die Evolution, und begann Europa zu erobern. Vor über zweihundert Jahren konnte ein Professor, daheim in Göttingen, noch nichts von dieser Aufgeregtheit ahnen. Herr Blumenbach sammelt Schädel aller Nationen. Er will ordnen, die Varietäten im Menschengeschlechte klären. Im Lauf von Jahren, mit scharfem Blick auf Hunderte von ausgekochten Köpfen, erregt ihn eine jüngst verstorbene Georgierin. Sein ganzes Augenmerk ist gerichtet auf ihr Ebenmaß, was ihn entzückt. Ganz sanft gerundet sind die Formen, mäßig geebnet die Stirn und nirgends springen die Jochbeine hervor. Der Zahnhöhlenrand ist ziemlich rund, die Vorderzähne in beiden Kiefern stehen senkrecht. Ihr gibt er den ersten Platz in seiner Rassensystematik. Zur „Miss Kaukasia“ gekoren, geistert von nun an eine Typologie in der Welt, die als wundersamer Terminus von der „Kaukasischen Rasse“ bis heute in Volkszählungen fortlebt. Der Natur gemäß erklärt Herr Blumenbach im Folgenden die Kaukasische zur ursprünglichen Rasse, den Rest zur Abweichung der Norm. Natürlich war sich der Professor der Konsequenz seiner Empfindungen nicht bewusst. Konnte er doch nicht in die Zukunft derer sehen, die sich seines Ideals bemächtigten und zum Fanal ihres Rassenwahns verstümmelten. Aber bis in diese Zeit war noch viel zu forschen und zu reisen. Viele machten sich auf den Weg ins gelobte Reich der Kaukasier, dorthin, wo das Maß der Schönheit regiert. 2006 brach der Dokumentararchäologe Jörg Herold auf, um Dmanisi zu sichten und den sagenumwobenen Kaukasus zu bereisen. Vielleicht auch, um die schöne Georgierin des Herrn Blumenbach zu finden, die, wie er hoffte, noch immer strahlte. Im Gepäck Schriften, Bilder und Mythen, die Jahrhunderte europäischen Geist und Geschichte prägten und aufs engste mit dem alpinen Gebirgszug zwischen dem Schwarzen- und Kaspischen Meer verbunden sind. Er besuchte das Geburtshaus von Väterchen Stahl, mit Millionen Leichen im Keller und durchschritt, umgeben von steil aufragenden Felsen, die Schlucht Darjal bis hin zum Grenzland ins russisch-tschetschenische Idyll. Er dokumentierte und inventarisierte eine Bäckerei in Tiflis und die Flüchtlingswohnung von Frau M., einer vor dreizehn Jahren durch Krieg vertriebenen Georgierin aus Abchasien. Natürlich betrat er die Grabungsstätte von Dmanisi und wurde überrascht von neuen Funden. Er besuchte Orte schwäbischer Bauern, die einst aus dem hungernden Deutschland dem Paradies entgegeneilten und ihrem Heil und dem Heiland beinah begegnet wären. Jörg Herold begegnete im „Heimweh“ blätternd, Johann Heinrich Jung genannt Jung-Stilling, dem Verfasser des grauen Mannes, dem Boten des tausendjährigen Reich Christi auf Erden. Er sah durch die Brille des Schädelverliebten Delinquentenjägers, Herrn Lombroso, mit messendem Blick auf die Welt des Verbrechens, so hoch auf den Gipfeln und doch so tief im Geist. Heimgekehrt, sind die Erinnerungen vom Kaukasischen frisch in Form gebracht. Zeichnungen, Fotografien, Filme und Objekte sind der Öffentlichkeit ab dem 20. Januar in Leipzig zugänglich. Spätere Ausstellungen werden im Februar in New York und im März in Brüssel zu sehen sein.

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