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Galerie Eigen+Art Berlin


Auguststr. 26
10117 Berlin
Tel.: 030 280 66 05
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Öffnungszeiten:

Di-Sa 11.00-18.00 Uhr

Nina Fischer / Maroan el Sani - A space formerly known as a museum

30.06.2007 - 25.08.2007
Die aktuelle Arbeit von Nina Fischer und Maroan el Sani, die in der Galerie EIGEN + ART in Berlin gezeigt wird, besteht aus 10 Fotografien, aufgenommen im März 2007 im Stedelijk Museum in Amsterdam, das sich zurzeit im Umbau befindet. Nicht nur die Kunst wurde aus dem Museumsbau entfernt; alle künstlichen Wände, das Balkenwerk, Deckenverkleidungen und Böden wurden abgetragen. Seit der Eröffnung des Museums im Jahr 1895 sind so die Basisstrukturen des Gebäudes zum ersten Mal wieder sichtbar gemacht worden. Die Fotografien von Nina Fischer und Maroan el Sani dokumentieren somit über ein Jahrhundert der Geschichte des Museums, dessen Grundriss dem symmetrischen Aufbau eines klassischen Adelspalastes folgt. Die Eingangshalle des Stedelijk wird von einem großen Treppenaufgang, der in den ersten Stock führt, dominiert. Von hier aus erhält man Zugang zu der Ehrengalerie und kleineren Räumen mit Oberlichtern, die um die Treppenaufgänge in langen Enfiladen angeordnet sind. Es ist davon auszugehen, dass die Wände der Galerien früher in verschiedenen Farben gestrichen und überall Vertäfelungen angebracht waren. Farbige Putzreste sind allgegenwärtig auf den Fotografien von Fischer / el Sani und auch Spuren der Vertäfelungen sind auf einigen zu entdecken. Rechtwinkelige Platten auf den Böden verweisen auf Heizungsabzüge, auf denen einst massige Sofas standen. Um 1938 entfernte Willem Sandberg, der später der Direktor des Museums wurde, die gesamte Innenausstattung und ließ die Wände mit weißem Stoff bedecken: dies markiert den Beginn des Stedelijk als modernes Museum. Ende der 70er Jahre erreichte diese Phase ihre Apotheose. So wurde in der Ehrengalerie zum Beispiel großformatige Farbfeldmalerei von Barrnett Newmann gezeigt. Von ihm trug der damalige Direktor Edy de Wilde die europaweit größte Sammlung zusammen, er erwarb aber unter anderem auch Arbeiten von Ellsworth Kelly und Morris Louis. Die großformatigen von ihnen wurden, wenn sie nicht in der Ausstellung waren, hinter Stellwänden gelagert, so dass sie nicht über längere Distanzen transportiert werden mussten. Natürlich war dies lange nach den Zeiten, in denen die Galerie sogar Rembrandts Nachtwache Raum geben konnte, wie dies im Jahr 1898 anlässlich einer großen Retrospektive der bedeutenden Maler des 17. Jahrhunderts geschah. Neben der Geschichte des Museums erinnern die Fotografien auch an frühere Arbeiten von Fischer und el Sani, an das Aura Research Projekt aus den Jahren 1994-2005. Im Zuge dieses Projektes fotografierten die Künstler verlassene, jedoch erhaltene Häuser und Büros. Daneben montierten sie Aufnahmen, die mittels einer in den 30ern von dem Russen Kirlian entwickelten, fotografischen Technik entstanden sind und eine spezifische Aura einzufangen und zu visualisieren suchen. Sie zeigen abstrakte, strahlenförmige Lichtstrukturen. Wie Boris Groys über das Projekt schrieb, widersetzen sich die Fotografien Benjamins Hypothese, dass eine Reproduktion der Aura des Originals entbehrt. Stattdessen argumentiert er, die Künstler kreierten eine Aura durch die Dokumentation derselben während ihrer Besuche der leeren Räume. Doch das Projekt befasst sich auch mit älteren Aura-Theorien aus theosophischen Kreisen um 1900, die erheblichen Einfluss auf die ersten abstrakten Künstler wie Kandinsky hatten. Die Idee einer weiten Aura geht mit abstrakter Kunst einher, da sie nichts reproduziert und demnach ein purer, originärer (auratischer) Akt ist. In der niederländischen Kunst findet man auratische Formen –amorphe, leuchtend farbige Formen- zum Teil im Werk von Theo van Doesburg, aber besonders in den Gemälden des heute vergessenen Utrechter Pioniers der Abstraktion, Janus de Winter, der 1916 seine erste wichtige Einzelausstellung im Stedelijk hatte. In seinem gegenwärtigen ruinösen Zustand erinnert das Innere des Stedelijks, zum Beispiel die auf der Fotografie Nr. 10 dargestellte Ehrengelarie, eher an jene Tage, als an die nahe Zukunft der Institution, die vor uns liegt. In gewisser Hinsicht deckt der enthüllte Dekor an den Wänden die gesamte Geschichte dieser frühen, auratischen Phase der Abstraktion bis hin zu der Periode, in der die flächendeckende Farbfeldmalerei die Institution beherrschte, ab. Noch nach dem Höhepunkt der Moderne hielten zeitgenössische Manifestationen der Abstraktion das Museum in ihren Bann. Dies verdeutlicht zum Beispiel Niele Toronis Pyramide aus kleinen Vierecken, die auf dem Dach über der Treppenhaus Galerie 1994 angestrichen ist, zu sehen auf der Fotografie Nr. 9. Rückblickend können die fleckigen Wände in dem Gebäude auch als eine Intervention interpretiert werden, vor allem jetzt, da sie von Fischer / el Sani dokumentiert wurden. Tatsächlich hallen die Arbeiten von Niele Toroni sehr passend in der Farbe der Wandbeschaffenheit nach, ungeachtet der Streifen in einem anderen Raum Nr. 6, der an ein Werk von Daniel Buren im Stedelijk erinnert. Doch man könnte auch an einen anderen Eingriff in einen Museumsbau denken, so wie Santiago Sierras im Museum DÂ’Hondt DÂ’Haenens in Belgien vor einigen Jahren. Er hinterließ den verwunderten Besuchern ein komplett entkleidetes Museum. Letztendlich ist ein entkleidetes Museum nicht anders als ein entblößter Palast der Republik, um nur einen anderen Palast zu nennen, der bereits Gegenstand im Werk von Fischer / el Sani war. Sie bewiesen, dass eine Ruine fähiger ist, in die Geschichte einer Institution einzudringen, als das Gebäude in seiner aktiven Funktion. Je mehr die Kunstwerke die Präsenz und Tätigkeit eines Museums verschleiern, desto mehr offenbaren ihre Rückstände von ihm. Ein Raum, der gewöhnlich geworden ist, ein Raum, der ehemals Museum genannt wurde, behält schließlich seine Museums-Aura.

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