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Stadtmuseum "Haus zum Stockfisch"


Johannesstr. 169
99084 Erfurt
Tel.: 0361 655 56 51
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Öffnungszeiten:

Di-So 10.00-17.00 Uhr

Erfurts gute Stube - der Anger - Bilder, Fakten und Geschichten

05.03.2010 - 31.01.2011
Der Erfurter Anger verkörpert eine reiche Historie, viele unterschiedliche Baustile, eine ausgeprägte Infrastruktur und vielfältige menschliche Aktivitäten in Vergangenheit und Gegenwart. Herzstück dieser Magistrale ist das "Angereck", die Angerkreuzung, gewissermaßen der gefühlte und anerkannte Mittelpunkt der Stadt. Die ursprüngliche Wortbedeutung des Angers ist ein freier Platz, eine Wiese oder Weide in der Mitte einer Ansiedlung. Ausgrabungen aus dem 6. Jh. n. Chr. haben bereits menschliches Tun auf dem Anger nachgewiesen. Mit der Stadtwerdung Erfurts am Ende des 1. Jahrtausends wurde das sumpfige Gelände am Ostufer der Gera trocken gelegt und erschlossen. Die nahe gelegene Kaufmannssiedlung mit ihrer ecclesia mercatorum (Kaufmannskirche) begünstigte den Handel mit lokalen Produkten sowie Luxuswaren aus fernen Gegenden. Eine erste urkundliche Erwähnung des Angers als Erfurter Handelsplatz stammt aus dem Jahr 1196. Mit dem Zuchtbrief von 1351 wurde per Marktzwang der Anger zum alleinigen Waidhandelsplatz erhoben. Die Waidfarbe war im Mittelalter das Blaufärbemittel schlechthin und brachte großen Reichtum in die Stadt. So lautete der damalige Name für diesen Platz folgerichtig "Waidanger". Bis in das 17. Jahrhundert dominierte der Waidhandel den Anger - die jährliche Saison dauerte 16 Wochen bis Ende September. Viele der wohlhabenden Waidhändler, auch Waidjunker genannt, siedelten sich auf diesem Areal an, noch heute sind zum Teil deren prächtigen Steinbauten zu sehen. Auch die Hohe - oder Königsstraße als wichtigster Fernhandelsweg hatte ihren Verlauf über den östlichen Anger. Kaufhaus "Römischer Kaiser" um 1910 Die Industrialisierung ab Mitte des 19. Jahrhunderts und die Entfestigung der Stadt 1873 waren entscheidende Faktoren für einen Aufstieg Erfurts zu einem nüchternen kapitalistischen Gemeinwesen; die 100.000 Einwohnergrenze zur Großstadt wurde 1906 überschritten. Der Anger partizipierte von dieser Entwicklung und wurde zur Hauptgeschäftsstraße der Stadt, galt als vornehmste Adresse für Handel und Repräsentation. Gründerzeithäuser, Jugendstilgebäude, große Verkaufseinrichtungen, Restaurants usw. dominierten jetzt das Straßenbild und zeigten die Wohlhabendheit des neuen Besitzbürgertums. Trotz einiger Kriegsschäden 1944/45 und Verfallserscheinungen in DDR-Zeit ist das Gesamtensemble Anger weitgehend bis heute erhalten geblieben. Eine umfangreiche Rekonstruktion in den 1970er Jahren brachte den alten Glanz unter realsozialistischen Bedingungen wieder zum Tragen und wurde mit dem DDR-Architekturpreis 1978 anerkannt. Wer von den älteren Erfurterinnen und Erfurtern erinnert sich nicht gern an die Verabredungen in früheren Jahren unter der alten Freytag-Angeruhr mit dem Durchgang, wo die täglichen Zeitungsauslagen der Zeitung "Das Volk" oder die Leucht-Lauf-Schrift von der gegenüberliegenden Hauptpost die Wartezeiten verkürzen halfen? Nach der Wende 1989/90 verschwanden alle HO- und Konsumeinrichtungen aus diesem Straßenzug. Heute zeigen sich viele große und häufig wechselnde Handelsketten, Modehäuser und gastronomische Objekte auf dem Anger. Kultureinrichtungen, Buchhandel, Hauptpost und die Straßenbahn prägen heute ebenfalls die Struktur. An Wochenenden frequentieren den Anger bis zu 35.000 Menschen. Die Bürger Erfurts liebevoll nennen ihn auch die "gute Stube" der Stadt.

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