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Naturkundemuseum Bielefeld


Kreuzstr. 20
33602 Bielefeld
Tel.: 0521 51 67 34
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Öffnungszeiten:

tgl. 10.00-17.00 Uhr

Lauter bunte Vögel...

17.04.2011 - 02.06.2011
Anlass der Ausstellung ist das 150-jährige Jubiläum des 1861 auf Anregung von Herrmann August Delius gegründeten Vereins für Geflügelzucht, Vorläuferorganisation des heutigen Stadtverbandes der Rassegeflügelzüchter Bielefeld. Das Ziel der Ausstellung ist, die stadt- und kulturgeschichtlichen Aspekte der Arbeit eines Vereins zu dokumentieren, der vorbildliches bürgerliches Engagement weit über die eigentliche Profession für die Geflügelhaltung und -zucht hinaus unter Beweis gestellt hat. Rassegeflügelzüchter werden - nicht nur in Bielefeld - von den meisten Bürgerinnen und Bürgern insbesondere durch die einschlägige Medienberichterstattung als Tauben- oder Hühnerliebhaber wahrgenommen, die vor allem mindestens einmal im Jahr die Zuchtprodukte ihres Hobbys prämieren und dekorieren. Der Verband der Bielefelder Rassegeflügelzüchter hat aber deutschland-, ja europaweit nicht zuletzt hohe Anerkennung und Auszeichnung gefunden durch Beiträge zur Völkerverständigung und Aussöhnung oder auch durch entwicklungspolitisches Engagement. In einem Einleitungsmodul soll dem Besucher zunächst auf sehr lebendige Weise die Vielfalt der Geflügelrassen nahe gebracht werden. In einer Brutmaschine kann er das Schlüpfen von Küken erleben. Nach diesem Intromodul wird die Vereinsentwicklung in Form besonders markanter Episoden dargestellt: Zum Beispiel erfolgte die Gründung des Vereins nicht etwa durch das klassische Bürgertum, sondern vielmehr durch bis heute klangvolle Namen Bielefelder Unternehmen und Persönlichkeiten vornehmlich der Textilbranche (die übrigens auch Gründungsmitglieder des ältesten deutschen Geflügelzuchtvereins 1852 in Görlitz waren): z.B. Hermann August Delius, August Oertmann, Friedrich Wilhelm Lütgemeier, Carl Bertelsmann, Theodor Droop, Johannes Klasing. Warum prägten namhafte Bielefelder Kaufleute lange Zeit die Vereinsaktivitäten? Die Antwort lautet vereinfacht: Leinen im Tausch gegen Rassegeflügel. Denn Wirtschaftsbeziehungen nach Großbritannien brachten die Bielefelder Kaufleute mit einem dort längst etablierten Hobby in Kontakt. England seinerseits hatte durch seine kolonialen Beziehungen besonderen Zugriff auf spektakuläres Rassegeflügel aus den asiatischen Ursprungsgebieten. Das Rassegeflügelengagement der Kaufleute gipfelte mit der Einrichtung eines Geflügelhofes auf dem Bielefelder Johannisberg, der den Namen der Stadt Bielefeld weit über ihre Grenzen hinaus bekannt machte und gewissermaßen zu einer Pilgerstätte für Geflügelliebhaber aus ganz Deutschland wurde. Erst viele Jahre später wurde die Rassegeflügelhaltung und -zucht zu einem Hobby breiter Bielefelder Bevölkerungskreise, angestiftet auch dadurch, dass Angestellten von Firmen Tiere für private Haltung überlassen wurden. Das reine Hobby der Zucht erfuhr dann in den Notzeiten der Weltkriege durchaus auch eine sekundäre Bedeutung, indem Eier und Geflügel zu willkommenen Ergänzungen des Speisezettels wurden. Die letzten Jahrzehnte der Vereinsaktivitäten machten durch intensiv geknüpfte Kontakte in andere europäische Länder den Bielefelder Verein zu einem Motor der Völkerverständigung, sowohl in Ost- wie in Westeuropa. Als ein Beispiel können die intensiven Beziehungen ins englische Cornwall genannt werden (die übrigens bis ins englische Königreich wirken). Auch die innerdeutschen Bande wurden durch nicht immer ganz ungefährliche Kontakte des Bielefelder Vereins in die damalige DDR massiv gepflegt. Immer spielte dabei das Rassegeflügel eine wichtige Rolle, bzw. die Bereitschaft des Bielefelder Vereins, Tiere aus seinen in Fachkreisen sehr anerkannten Zuchtbeständen an andere Liebhaber zu verschenken. Übrigens war der Verein auch zur Stelle, als durch das letzte Elbehochwasser viele Kleintierliebhaber ihre kompletten Bestände verloren haben. Die Aktivitäten des Vereins, namentlich seines langjährigen Vorsitzenden Wilfried Detering, reichen aber noch sehr viel weiter: Hühnerhaltung ist in vielen Entwicklungsregionen der Erde eine elementare Voraussetzung der Subsistenzversorgung. Und für jede Region bzw. jedes Klima sind bestimmte Sorten von Geflügel besonders gut geeignet. Die Expertise des Bielefelder Vereins - und natürlich auch Zuchttiere - sind von Südafrika bis nach Brasilien mittlerweile zum Motor nachhaltiger Entwicklungsprojekte geworden und haben weithin Anerkennung gefunden. Diese episodenhafte Betrachtung der bundesweit wohl einmaligen Geschichte des Vereins wird in der Ausstellung durch einige spezielle fachliche Aspekte ergänzt, die exemplarisch an außergewöhnlichen Arten anschaulich gemacht werden sollen. Ein Beispiel dafür sind die sogenannten Kämpfer, den meisten Menschen aus dem inzwischen weltweit verbotenen Hühnerkampf bekannt. Unter Rassegeflügelzüchtern ist der Hahnenkampf natürlich von jeher verpönt. Dennoch geht die Bedeutung der planmäßigen Erhaltung der verschiedenen Rassen der Kämpfer weit über den wertfreien Liebhaberwert hinaus. Denn dem Genpool dieser Rassen kommt insofern eine besondere Bedeutung zu, als er für die Einkreuzung in wirtschaftlich interessante Nutzgeflügelrassen bis heute und auch zukünftig von besonderer Bedeutung ist (auch im Grillhähnchen findet sich "Kämpferblut"). Wie überhaupt die Erhaltung des sehr heterogenen Genpools von domestiziertem Geflügel z.B. angesichts etwa des Klimawandels eine besondere Bedeutung für zukünftige adaptive Züchtungen birgt.

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