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Museum für Kommunikation Berlin


Leipziger Straße 16
10117 Berlin
Tel.: 030 202 940
Homepage

Öffnungszeiten:

Di 9.00-20.00 Uhr
Mi-Fr 9.00-17.00 Uhr
Sa-So 10.00-18.00 Uhr

Berlin am Tage ist brillant, Berlin bei Nacht ist mehr pikant.

17.07.2009 - 30.08.2009
Ansichtskartenausstellung im Museum für Kommunikation Berlin zeigt seltene Ansichten der Reichshauptstadt 1899 berichtete das englische Journal „The Graphic“ über die „Postkarten-Manie“, die in Berlin ein neues Stadium erreicht habe: Dort trügen die Straßenhändler, die in Restaurants und Cafés Grußkarten verkauften, nun „zur größeren Bequemlichkeit ihrer Kunden“ einen Briefkasten auf dem Rücken. Diese Szene aus der Hochzeit der Ansichtskarte steht am Auftakt einer Ausstellung, die das alte Berlin als kulturelles, politisches und wirtschaftliches Zentrum Deutschlands im Spiegel der Bildpostkarte präsentiert. Die Schau, die vom 17. Juli bis zum 30. August 2009 im Museum für Kommunikation Berlin zu sehen ist, zeigt erstmals eine der umfangreichsten historischen Berlin-Sammlungen. Die Dokumentation aus dem Privatbesitz von Dr. Wilfried Matanovic erstreckt sich von etwa 1890 bis in die 1940er-Jahre und umfasst rund 550 Karten, darunter seltene Ansichten der Reichshauptstadt. Das von dem passionierten Sammler in langjähriger Arbeit zusammengetragene Konvolut hält als historisches Bildgedächtnis neben der damaligen Alltagskultur auch wichtige Stationen deutscher Geschichte fest: Wilhelminische Zeit und Weimarer Republik, NS-Diktatur und die Geschichte zweier Weltkriege – alle wurden sie unter anderem an Orten und durch Akteure und Ereignisse in Berlin maßgeblich geprägt. In den um 1900 häufig als Lithografien und Lichtdrucke, später im Offset- und anderen Druckverfahren entstandenen Karten begegnet uns Berlin ebenfalls als weltweites Mode- und Textilzentrum, als Motor für Technik und Wissenschaft oder als Zeitungsstadt. Auch die zentrale Bedeutung Berlins für das kulturelle und künstlerische Leben in Deutschland manifestiert sich in den Zeitzeugnissen ebenso wie die berühmte „Berliner Schnauze“ oder das Berliner Nachtleben. Dem Deutschen Volke Die Bedeutung Berlins als Reichshauptstadt mit ihren nationalen und internationalen Institutionen und deren Entwicklung spiegelt sich in den zeitgenössischen Texten und Illustrationen wider: Reichstag, Berliner Schloss, Schloss Bellevue, die Ministerien, Landesvertretungen und Botschaften waren zu jeder Zeit beliebte Motive. Als Seismographen ihrer Zeit können Postkarten zudem Hinweise auf die eher unbeachteten Facetten der deutschen Geschichte wie beispielsweise die Entstehung der Inschrift „Dem Deutschen Volke“ geben: Bereits zur Einweihung des Reichstags 1894 geplant, wurde die Widmung erst 1916 gefertigt, und zwar von der jüdischen Bronzegießerei S. A. Loevy. Es wird vermutet, dass Kaiser Wilhelm II. den Reichstag lieber „Dem Deutschen Reiche“ gewidmet hätte, schließlich aber doch zustimmte, um das kriegsmüde deutsche Volk „aufzumuntern“. Bimmel-Bolle Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Berlin in rasantem Tempo zu einem industriellen Zentrum Europas. Neben Pionieren wie Borsig, Siemens oder Schering brachte die Gründerzeit auch lokale Unternehmerpersönlichkeiten hervor: So zum Beispiel Carl Andreas Julius Bolle (1832-1910). Der frühere Maurermeister, der 1881 die Firma Provincial-Meierei C. Bolle geründet hatte, besaß um 1910 rund 250 Milchwagen. Seinen Spitzname „Bimmel-Bolle“ verdankte er den Handglocken der „Bolle-Jungen“, die täglich bis zu zehn Stunden Milch auslieferten. Nur wenige Ansichtskarten stellen die schwierigen sozialen Verhältnisse im Berlin des Kaiserreiches und der Weimarer Republik realistisch dar. Allenfalls findet man Karten, die auf Wohlfahrtseinrichtungen und Aktivitäten zur Minderung der Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit und mangelnden Hygiene hinweisen. Berliner Humor Dass die explosionsartige Entwicklung der Reichshauptstadt zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts auch humorvoll-kritische Stimmen auf den Plan rief, davon zeugt unter anderem eine Karte aus dem Jahre 1906. Diese entwirft ein futuristisches Bild mit Luftschiffen, schwebenden Weinrestaurants und einer „Luftbrücke“ nach Paris, um den Verkehrsandrang auf Berlins Parade- und Flaniermeile „Unter den Linden“ zu verringern. Auch der Potsdamer Platz als Sinnbild für das pulsierende Großstadtleben löste nicht nur Begeisterung aus, wie eine visionäre Weiterentwicklung des um 1910 verkehrsreichsten Platzes Europas zeigt. Hier gibt es sogar im von einsitzigen Zeppelinen bevölkerten Luftraum Gedränge. Eine andere Grußkarte stellt dagegen mit typischer Berliner Schnauze fest: „Dat is der neue Potsdammer Platz – ohne Platz.“ Der Siegeszug der Ansichtskarte Als Ansichtskarte wurde die 1870 in Deutschland eingeführte Postkarte in den 1890-er Jahren zum modernen Massenmedium. Die illustrierten Karten, die aus dem fruchtbaren Zusammenspiel von staatlicher Rahmensetzung und privater Initiative entstanden waren, entwickelten sich schnell zum Verkaufsschlager. Der Fortschritt der Drucktechnik ermöglichte Ende des 19. Jahrhunderts die Massenproduktion von preiswerten farbigen Ansichtskarten, deren Themenvielfalt unüberschaubar war. In der Bevölkerung herrschte eine regelrechte Ansichtskartenmanie, die die gesteigerte Mobilität der Menschen und deren gewachsenes Bedürfnis nach Kommunikation – vor allem über Bilder – widerspiegelte.

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