c/o Berlin, (Foto: David von Becker)
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c/o Berlin

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Will McBride: Ich war verliebt in diese Stadt - Fotografien 1956 bis 1963

31.10.2014 - 18.01.2015

„Wie jede Stadt, so ist auch Berlin eine geschlossene Welt. Aber die Probleme Berlins sind vitaler, zumindest konzentrierter als irgendwo anders.“ Will McBride
Zwischen urbanen Ruinen brodelt das Leben, inmitten bleiernder Nachkriegszeit blüht erster wirtschaftlicher Aufschwung, trotz radikaler, ideologischer Auseinandersetzungen weht ein jugendliches Freiheitsgefühl in der Frontstadt des kalten Krieges. Ein Jahrzehnt nach der Kapitulation befindet sich Berlin noch immer in einem Ausnahmezustand zwischen Schuttbergen und Milchbars, Kriegsversehrten und Halbstarken, politischen Kundgebungen und Bootspartys, Panzern und Vespas. Und in diesen tagtäglichen Gegensätzen wandelt selbstsicher ein junger Amerikaner, der mit unerhörter Neugier und frischem Blick die Menschen und ihre Lebenslust fotografisch einfängt – Will McBride. Seine Schwarz-Weiß-Bilder früher Trümmerlandschaften bis zum Mauerbau faszinieren durch ihre Authentizität, Intimität und Dynamik jenseits der bisher bekannten Tristesse der rauen Nachkriegswirklichkeit. Als Chronist der Jugend liegt der Fokus von Will McBride vielmehr auf den neu gewonnen Freiräumen und Lebenstilen, auf Neubeginn und Experiment – sowohl im West- als auch im Ostteil der Stadt.
Berlin Ende der 1950er Jahre ist für Will McBride ein anregender, fabelhafter Ort und in seinen Grautönen kompletter Gegensatz zu seiner Heimat. Die Stadt ist Quelle seiner Inspiration, die ihn in eine fiebrige Spannung versetzt. Während in seinen frühen Fotografien ein gewisses Staunen und Befremden über diese „wahnsinnige“ Stadt und deren surealen Kriegsfolgen zu spüren ist, weicht seine Distanz in den kommenden Jahren einer unmittelbaren Nähe, die emotionale, vitale Porträts und Reportagen hervorbringt. Als Außenseiter und junger Beatnik wird er langsam Teil der Stadt und deren Bewohner, deren Treiben er mit seiner Leica aus nächster Nähe beobachtet – konventionslos und nonkonform. Gerade diese radikale Subjektivität führt zu der einzigartigen Authenzität seiner Bilder – näher am Objekt, tiefer in einer Situation kann ein Fotograf nicht sein. Mit dieser Unmittelbarkeit einer „Personal Documentary“ ist Will McBride früher Wegbereiter für Künstler wie Nan Goldin, Antoine d‘Agata und Wolfgang Tillmans.
Das Werk von Will McBride ist ein intimes Tagebuch – spontan und autonom entstanden, unbewusst gegen alle möglichen Trends und Moden. Wichtiger als das Einzelbild ist dem Fotografen die jeweilig vorgefundene Atmosphäre, die er in großen fotografischen Essays publiziert. Seine Fotografien haben eine hohe ästetische Qualität und expressive Ausdruckskraft und passen mit ihren Sujets und den ungewöhnlichen Perspektiven nicht in das Gesellschaftsbild der späten 1950er Jahre. Vielmehr sprengt Will McBride starre Bild- und Wahrnehmungsmuster auf: Seine Fotos sind grobkörnig mit schroffen Hell-Dunkelkontrasten, betont subjektiv und formal-ästhtisch kühn. Auch künstlerisch bewegt er sich zwischen allen Gattungen – von Fotografie über Malerei bis hin zur Bildhauerei. Er versteht sich nicht nur als strenger Dokumentarist seiner Zeit oder neutraler Bildjournalist, sondern als eigenständig gestaltender Künstler. „Ein Fotograf sollte in seinen Bildern nur eine Sache ausdrücken: sein ganzes Selbst“, so Will McBride.
Will McBride war der erste Fotograf, dessen Werke 1957 im Amerika Haus gezeigt wurden. Aus diesem Grund eröffnet C/O Berlin das Gebäude im Herbst 2014 mit seinen Bildern und präsentiert erstmals ca. 100 zum Teil nie ausgestellte Fotografien aus seinem Gesamtwerk mit dem Schwerpunkt auf Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Ausstellung wurde von Felix Hoffmann kuratiert. Im Lehmstedt Verlag ist ein Katalog erschienen. Mit der Ausstellung von Will McBride setzte C/O Berlin seine Serie zeithistorischer Fotografien fort, in der schon die Lebenswerke von Roger Melis und Fritz Eschen gezeigt wurden.
Will McBride, geboren 1931 in St. Louis, Missouri/USA, studierte Malerei, Illustration und Kunstgeschichte in New York und Philologie in Berlin. Er war als Reportagefotograf von Weltruf für deutsche und internationale Magazine tätig und veröffentlichte zahlreiche Fotobücher, darunter das legendäre Aufklärungsbuch „Zeig mal“. Seit Mitte der 1970er Jahre ist er überwiegend als Maler und Bildhauer tätig. Er lebt und arbeitet in Berlin.

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