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Holger Bär: Glück

26.04.2013 - 08.06.2013

Holger Bärs neue Gemäldeserie trägt den Titel „Glück“. Der Begriff „Glück“ ist im Deutschen vielschichtig und hat wenigstens drei sehr verschiedene Bedeutungsfelder. Die ursprüngliche Bedeutung vom guten Ausgang eines Ereignisses bezieht sich auf einen glücklichen Zu fall, ein singuläres äußeres Ereignis, das der Kontrolle des Einzelnen entzogen ist, wie etwa ein „Sechser im Lotto“ (Englisch: luck, good fortune). Im philosophischen Sinne bezeichnet das Wort einen zeitlich andauernden Zustand von subjektivem Wohlbefinden und Zufriedenheit, der auf der inneren Lebenseinstellung des Einzelnen basiert (happiness). In einem dritten Sinne kann Glück sich auf kurzzeitige Lustgefühle beziehen, chemische Prozesse im Körper, die durch die Einnahme von Mitteln - Drogen - auch künstlich erzeugt werden können ( pleasure , ecstasy , euphoria ).
Holger Bär arbeitet seit vielen Jahren mit selbst entwickelten, computergesteuerten Malmaschinen, die entsprechend aufbereitete, meist fotografische Vorlagen Pixel für Pinselstrich auf die Leinwand übertragen. Dazu benutzt Bär seit jeher Zahlen zur Codierung seiner Bilder, die nach bestimmten Algorithmen in Farben umgesetzt werden. So kam Bär darauf, abstrakte Bilder auf der Grundlage der Zahlen des Zahlenlottos zu generieren. Er ergänzte die „Glücksserie“ mit Bildern von Lottogewinnern und -gewinnen und fügte als weitere abstrakte Kategorie bildliche Darstellungen chemischer Glückprozesse mit Dopamin, Serotonin und Ecstasy hinzu. Damit erweiterte er das Spiel mit zufallsgenerierten Zahlen zu einer inhaltlich tiefer gehenden Auseinandersetzung mit dem gegenwärtigen Verständnis von Glück.
Die Suche nach Glück - im Sinne von happiness - begleitet die verschiedenen menschlichen Zivilisationen seit den frühesten Anfängen. Antike chinesische, indische, nahöstliche und griechische Philosophen und Religionsgründer haben sich bereits damit beschäftigt, und seitdem unzählige Denker in den Bereichen Religion, Philosophie, Soziologie, Ökonomie, Politik, Psychologie und anderen, bis hin zu den zeitgenössischen Glücksfor schern, die den Weltglücksbericht der UNO von 2012 verfasst haben. Stark geprägt vom Gedankengut der Aufklärung verankerten die USA in ihrer Unabhängigkeitserklärung von 1776, Grundlage der ersten demokratischen Verfassung der Welt, das Streben nach Glück („the pursuit of happiness“), der König von Bhutan ersetzte das Bruttosozialprodukt als Ziel der Wirtschaftspolitik seines Landes mit dem „Bruttosozialglück“ und schuf dafür sogar eine eigene Staatskommission. Die unüberschaubare Flut von Selbsthilfebüchern, die jedes Jahr veröffentlicht wird, und der exponential anwachsende Sektor für „Wellness“ bezeugen, dass das Streben nach Glück nichts an Aktualität verloren hat. Im Gegenteil, es stellt sich die Frage, ob die Menschheit in diesem Punkt seit der Antike überhaupt Fortschritte gemacht hat oder ob die menschliche Geschichte hier nicht vielmehr von gelegentlichen Fortschritten und immer wiederkehrenden schweren Rückschritten geprägt ist. Holger Bärs Bilder, vor allem die der Lottogewinner und -gewinne, können als beißende Kritik daran gelesen werden, dass in unserer konsumorientierten Kultur äußere Faktoren wie materieller Wohl stand - v.a. solcher, der ohne Zutun des Einzelnen erfolgt - und drogeninitiierte Glückmomente gerne mit einem glücklichen Leben verwechselt werden, das auf der geistigen Haltung und sozialen Eingebundenheit des Einzelnen beruht.

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